Cash. 2/2022 61FOTO: GOTTFRIED BAERNACHHALTIGKEIT/ESGDie Deutschen beschäftigen sich seit Corona mehr mit ihrer Altersvorsorge. Trendfarbe der bAV ist grün. Lohnt sich das? Führende Versicherer sagen Ja. „Die Entscheidung Nachhaltigkeit oder Rendite ist ein Märchen“, so Daniel Regensburger, Geschäftsführer Pangaea Life, einer Marke der Bayerischen. Aktuelle Studien sehen in nachhaltigen Anlagen keinen Renditenachteil. Ob sie langfristig Renditevorteile bieten, zeige die Zukunft. Realistisch sei es, denn der Wandel zu mehr Nachhaltigkeit transformiere derzeit ganze Wirt-schaftszweige, wie die weltweite Energiewende. Theresa Durst und Jens Göhner, Produktmanager bei der Stuttgarter, bestätigen das. Nachhaltiges Handeln sei für Unternehmen Grundlage für langfris-tigen wirtschaftlichen Erfolg. Auch für die HDI geht die wirtschaft-liche und technologische Entwicklung in Richtung grüner Anlagen. Ein starker politischer und gesellschaftlicher Einfluss erhöhe die entsprechende Nachfrage und Unternehmen, die ein nachhaltiges Investment anbieten, würden profitieren: „An grünen Investments geht (…) kein Weg vorbei”. Laut Igor Radovic‘ , Direktor Produkt- und Vertriebsmanagement bei Canada Life, bescheinigen etablierte Marktteilnehmer nachhaltigen Fonds gute langfristige Ergebnisse, weil Fonds mit Umweltrisiken oder laxer Unternehmensführung aus-geschlossen oder geringer ge-wichtet würden. Gottfried Baer, Geschäftsführer der Mehrwert Finanzberatung und Spezialist für nachhaltige Altersvorsorge, begründet die Renditevorteile so: die wichtigsten nachhaltigen Anlagemärkte, wie erneuerba-re Energien, Recycling, neue Mobilität (grüner Wasserstoff, e-Mobilität), Biolebensmittel (Biolandwirtschaft), Energie-effizienz und Umwelttechnik würden in den nächsten Jahren extrem wachsen und seien daher auch ökonomisch ertragreich. Für Charlotte Klinnert, Vorstandsmitglied der Verka VK Kirchliche Vor-sorge, spricht die Marktentwicklung eine deutliche Sprache. Bench-mark Vergleiche zeigten, dass sich nachhaltige Anlagekriterien bei etablierten Anlageklassen in den letzten Jahren deutlich besser entwi-ckelt hätten als Indices ohne Nachhaltigkeit. Verka sieht große Ren-ditevorteile da, wo der Versicherer in echte Zukunftsthemen inves-tiert hat, wie dem Aufhalten des Klimawandels, der Digitalisierung oder dem Zugang zu medizinischer Versorgung. Hier hätten sich frü-he Investitionen bezahlt gemacht. Als Einrichtung der bAV habe man jedoch enge Regularien, die frühe und daher riskantere Investitionen begrenzten. Nicht-nachhaltige Investitionen dagegen haben Risiken: „Diese materialisieren sich beispielsweise in sinkenden Absatzzahlen auf-grund zunehmenden Bewusstseins für Nachhaltigkeit in Lieferketten, in Form höherer Refinanzierungskosten aufgrund steigender Risiko-zuschläge oder ( ) exogener Schocks durch fiskalpolitische oder regu-latorische Eingriffe in den Markt“, so Klinnert. Sie und Regensburger nennen den Klimawandel, der den Kapitalmarkt beeinflusse und Regie-rungen weltweit dazu zwinge, von fossilen Energieträgern abzukehren und saubere Energie voranzutreiben. Dürreperioden beeinträchtigten schon jetzt ganze Regionen. Auch bei Immobilien sei Nachhaltigkeit für den Werterhalt wichtig. Die Stuttgarter nennt als Beispiel die Car-bon bubble, also die Überbewertung von Unternehmen, die fossile Brennstoffe fördern, als Risiko. Laut Canada Life wollen Menschen mit nachhaltigen Produkten durch ihr Handeln etwas bewirken, daher gehen nicht nachhaltige Investments am Bedarf vorbei. Versicherer sollten liefern, „denn im Versicherungsmarkt bewegen wir täglich rie-sige Kapitalströme, dort haben wir tatsächlich einen Ansatzpunkt, um etwas zu verändern”, so Radovic‘ . Baer bewertet Reputationsverlust als entscheidendes Risiko für nicht nachhaltig handelnde Unternehmen. HDI sieht in der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft in Richtung Nachhaltigkeit auch Risiken, das größere Risiko sei aber, bei der Entwicklung nicht mitzugehen: „Aus unserer Sicht ist es so-gar sinnvoll, voranzuschreiten”. Der Bedarf an nachhaltigen Produkten und Dienstleistungen werde schneller steigen als vorhersehbar. Alexander Heimrath, Produktmanager bei der Deutschen Makler Akademie (DMA), sieht eine stetig wachsende Zielgruppe für nach-haltige Versicherungs- und Anlageprodukte und eine sehr große Nach-frage. Seit 2019 bietet die DMA den Zertifikats-Lehrgang „Experte nachhaltige Versicherungen und Finanzen (DMA)” an. Vermittler er-halten hier auch zur nachhaltigen bAV produktspezifisches Fachwis-sen, beispielsweise was „grün“ bedeutet und welche Durchführungs-wege es gibt. Um sich bei der relevanten Zielgruppe authentisch zu positionieren, kommen praxisorientiertes Wissen zu aktuellen poli-tischen Beschlüssen und gesellschaftlichen Diskussionen sowie die Sammlung von Argumenten für den Mehrwert einer grünen bAV für Unternehmen und Mitarbeiter dazu. Wann ist eine bAV „grün“? Baer sagt: „Da nach wie vor in der bAV Tarife mit Garantien eingesetzt werden müssen, ist es unabdingbar, dass die Anlagen der Sparanteile im Deckungsstock zu 100 Prozent beim Versicherer nachhaltig angelegt werden“. Regensburger sieht bei bAV derzeit auf dem Markt noch keine hundertprozentig nachhal-tigen Produkte. Diese Transparenz schulde man dem Kunden. Auch die HDI ist zurückhaltend. Das Unternehmen plant, seine Geschäfts-tätigkeit mit ökologischen und gesellschaftlichen Herausforderungen in Einklang zu bringen und Nachhaltigkeitsaspekte langfristig bei Kapitalanlagen, Versicherungsprodukten und Dienstleistungen zu be-rücksichtigen. Transparenz, Aufklärung und faire Beratung seien dabei wichtig. Der jährliche Nachhaltigkeitsbericht zeigt, wo HDI bei der Zielumsetzung steht. Die Stuttgarter sichert bei der Anlage im Siche-rungsvermögen dem Kunden zu, mindestens in Höhe des Sparanteils der eingezahlten Beiträge in nachhaltige Projekte und Kapitalanlagen zu investieren. Stuttgarter und Verka nennen Ausschlusskriterien für Unternehmen. Die Stuttgarter nennt Verstoß gegen das Kriegswaffen-kontrollgesetz, Hersteller und Vertreiber von Streumunitionen, Men-schen- und Arbeitsrechtsver-letzungen sowie Kinderarbeit; Verka noch Umweltverschmut-zung, Korruption, Tierversuche für kosmetische Zwecke, Grüne Gentechnik, Nuklearenergie, Pornographie, Glücksspiel, Tabakproduktion, Alkoholpro-duktion (Spirituosen), Kohle und Öl. Ausschlusskriterien bei Staaten sind Missachtung oder Einschränkung politischer und demokratischer Rechte, Kor-ruption, Missachtung oder Nichteinhaltung von Klimaschutz-Stan-dards, Missachtung der UN-Konvention für Biodiversität sowie aktive Praktizierung der Todesstrafe. Positivkriterien sind bei beiden Häusern für Unternehmen und Staaten ökologisches, soziales und ethisches Handeln. Die Verka arbeitet mit ESG-Scores, die Stuttgarter verzichtet auf renditestarke Kapitalanlagen, die im Konflikt zu den eigenen Transparenz, Aufklärung und faire Beratung sind bei Nachhaltigkeit wichtigNicht-nachhaltige Investitionen bergen Risiken wie sinkende Absatzzahlen